BaCaTeC-Summerschool 2004
Prof. Dr. Paul Rösch,
Dr. Stephan Schwarzinger
Lehrstuhl Biopolymere,
Universität Bayreuth
Prof. Dr. Peter E. Wright
Department of Molecular Biology
The Scripps Research Institute, La Jolla
NMR-Spektroskopie an biologischen Makromolekül-Komplexen
BaCaTeC Sommerschule, 3. - 8. Oktober 2004, NMR Zentrum Bayreuth
Komplexe aus biologischen Makromolekülen (z.B. Proteine, Nukleinsäuren) sind an vielen wichtigen biologischen Vorgängen, wie beispielsweise der Transkription, der Proteinsynthese und dem Abbau von Proteinen, beteiligt. Wechselwirkungen zwischen diesen Makromolekülen spielen eine wesentliche Rolle bei praktische allen bekannten Erkrankungen. Detailliertes Wissen über die Bindungsstellen der einzelnen Komponenten solcher Komplexe stellt ein Voraussetzung für das Verständnis von Krankheitsmechanismen und für rationale Wirkstoffentwicklung dar. Daher ist es für die pharmazeutische Industrie von größtem Interesse, hoch aufgelöste dreidimensionale Strukturen von krankheitsrelevanten Biomolekül-Komplexen zu erhalten. Durch die Sequenzierung des menschlichen Genoms und der damit verbundenen Entschlüsselung der Sequenzen im wesentlichen aller menschlichen Proteine besteht ein vermehrter Bedarf an Spezialisten zur Bestimmung der Strukturen der einzelnen Komponenten biomolekularer Komplexe sowie der Komplexe in ihrer Gesamtheit.
Die magnetische Kernresonanzspektroskopie (NMR) ist die einzige Methode zur Bestimmung dreidimensionaler Strukturen in Lösung. Neuere Weiterentwicklungen der NMR-Spektroskopie erlauben Messungen sehr großer Moleküle (bis zu mehreren hundert kDa) und haben zu einer dramatischen Empfindlichkeitssteigerung geführt. Daher kann NMR heute effizient zur Bestimmung der Strukturen von Komplexen oder Teilen davon eingesetzt werden, die nachträglich in niedriger aufgelöste Modelle eingesetzt werden. NMR wird routinemäßig für Bindungsstudien mit sehr hohem Durchsatz verwendet. Darüber hinaus ist NMR die einzige Methode für hoch aufgelöste Studien an hochflexiblen Biomolekülen, zum hoch aufgelösten Nachweis kurzlebiger Kontakte und zur Charakterisierung der intermolekularen Beweglichkeit.
Die Sommerschule dient der Weiterbildung von Studenten und Forschern im Bereich der Bestimmung der Strukturen von biomolekularen Komplexen zur Lösung biomedizinisch relevanter Problemstellungen. Mit dem Ziel Wissen über das Lehrbuchniveau hinaus zu vermitteln werden die Teilnehmer mit allen Stufen der Strukturbestimmung, wie z.B. Probenpräparation, Auswahl der Experimente, Datenanalyse, Strukturberechnung und -verfeinerung sowie Strukturvalidierung, konfrontiert. Die Teilnehmer erarbeiten sich dabei einen qualifizierten Überblick und eignen sich moderne problemorientierte Arbeitstechniken an. Die Sommerschule wird von Prof. Paul Rösch und Dr. Stephan Schwarzinger vom Lehrstuhl Biopolymere der Universität Bayreuth und von Prof. Peter E. Wright vom Department of Molecular Biology, The Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, organisiert.
Abschlussbericht
Die erste internationale BaCaTeC-Sommerschule fand vom 3. bis zum 8. Oktober in Bayreuth zum Thema "NMR Biomolekularer Komplexe" statt. Insgesamt trafen sich am Sonntag 48 Wissenschaftler aus sieben Ländern zu einem Mixer (Kalifornien: 9 aus 7 Arbeitsgruppen, Bayern: 12 aus 7 Arbeitsgruppen, Bayreuth: 10 aus 3 Arbeitsgruppen, restliches Deutschland: 10 aus 5 Arbeitsgruppen, Frankreich: 1, Belgien: 2, Niederlande: 2, Tschechien: 1, Indien: 1). Die meisten Teilnehmer waren Doktoranden, deren Arbeitsgebiete nahe am Thema der Sommerschule lag. Es nahmen jedoch auch 14 promovierte Teilnehmer, zwei davon aus der Industrie, teil. Für die Teilnehmer aus Kalifornien und Bayern wurden insgesamt 20 Stipendien zur Unterstützung der Reisekosten und für die Unterkunft und Verpflegung vergeben.
Am Montag startete das wissenschaftliche Programm mit einer Vorlesungsreihe, in der die Grundlagen der biomolekularen NMR-Spektroskopie und der Strukturbestimmung von Proteinen, Nukleinsäuren und deren Komplexen vermittelt wurden. Im Anschluss an die Vorlesungsreihe wurden in der zweiten Wochenhälfte in praxisorientierten Fallstudien Details zur Strukturbestimmung biomolekularer Komplexe vermittelt. Neben Vorträgen zur Bestimmung der Strukturen von Proteinen und Nukleinsäuren wurden auch Aspekte zur Dynamik biologischer Makromoleküle sowie methodische Neuerungen vorgestellt. Für die Vermittlung dieser komplexen Inhalte konnten insgesamt 24 international anerkannte Sprecher und Tutoren aus sieben Ländern gewonnen werden.
Das wissenschaftliche Programm der Sommerschule wurde durch praktische Übungen und zwei Postersitzungen abgerundet. In den Postersitzungen wurden dabei über 30 Poster von sehr hohem wissenschaftlichem Niveau gezeigt. Die praktischen Übungen stießen bei allen Teilnehmern auf große Resonanz. Durch die Wahl der Universität Bayreuth war es möglich praktische NMR-Übungen auf vier Höchstfeldspektrometern des Lehrstuhls Biopolymere, beispielsweise zum Ansetzten und Optimieren von Experimenten, durchzuführen. Parallel hierzu wurden in zwei Computerlehrsälen Übungen zur Prozessierung von NMR-Spektren, zur Strukturberechnung sowie zum Docking von biologischen Makromolekülen.
Die Sommerschule wurde auch von der Industrie mit großem Interesse und Wohlwollen aufgenommen. Die beiden weltweit führenden Hersteller von Spektrometern, Bruker Biospin und Varian Inc., haben jeweils einen Sprecher für einen wissenschaftlichen Vortrag entsendet. Darüber hinaus konnten Vertreter von drei Anbietern von Reagenzien für die NMR-Spektroskopie persönlich auf der Sommerschule begrüßt werden.
Das Rahmenprogramm bestand aus einem organisierten Ausflug nach Bamberg mit Abendessen in einem fränkischen Brauereigasthof. Dieser Programmpunkt wurde vor allem von den internationalen Gästen gut aufgenommen. In gleichem Maße wurde das Festbankett, bei dem die Preise für die besten Poster übergeben wurden und das von einem Festvortrag von Nobelpreisträger Prof. Dr. Robert Huber über Röntgenkristallographie umrahmt wurde, besonders positiv aufgenommen.